Christian Rohlfs, Kiefernstämme im Sonnenlicht, um 1903

Kunsthalle zu Kiel

Das Gemälde dokumentiert die wichtige Umbruchphase Christian Rohlfs’ von der traditionell akademischen zur progressiven und modernen Freilichtmalerei wie kaum ein anderes Gemälde dieser Zeit. Um 1903 vollzieht sich in Rohlfs’ Werk der Auftakt zu einem vielseitigen malerischen, sehr eigenständigen Œuvre. Um 1890 hatte Rohlfs in Weimar zum ersten Mal französische Impressionisten gesehen und für sich entdeckt. Vor allem Monets Landschaftsbilder bestätigen seine neue Vorliebe. 1903 lernte Rohlfs Arbeiten van Goghs kennen, die sein Werk beeinflussen, seine Palette wird heller. Im Winter in Hagen ansässig, im Frühjahr dagegen in Weimar, ist Rohlfs in dieser Zeit für neue impressionistische Motive besonders empfänglich. In „Kiefernstämme im Sonnenlicht“ wird von einem frühlingshaften Eindruck eines Waldstücks, das die Sonne kraftvoll bis auf den Boden durchleuchtet, lediglich der minimalistische Ausschnitt der senkrecht aufragenden Stämme notiert. Es entfaltet sich dennoch ein flirrend intensives Spiel von blauen, gelben, grünen, rötlichen und weißen Flecken. Die dünnen, säulenhaften Stämme scheinen das lichte Gewirr zu stabilisieren. Der Bildrand allein bricht das nach allen Seiten wabernde Licht. Es ist ein ungewöhnlich puristisches Bild, das weder Horizonte, noch Wege, noch Wipfel, noch Blätter, noch Lebewesen, noch Strahlen der Sonne integriert, sondern sich ganz auf den Eindruck des alles umschwirrenden Lichts konzentriert, das von links vorne die Szene erhellt. Um 1903 beschäftigte sich Rohlfs auch in anderen Gemälden wie „Häuser in Weimar“ oder „Holsteinische Landschaft“ mit den neuen Malmethoden des Pointillismus’ und mit van Goghs kurzer Pinselstrichtechnik. Ähnlich wie Cézanne hat Rohlfs die Kiefernstämme mit senkrechten Pinselstrichen umschrieben, während die dazwischen schwebende Luft in leicht geschwungenen Pinselstrichen tänzelt. Im Gegensatz zu den noch sehr viel realistischer und traditioneller angelegten Waldlandschaften um 1900 hat Rohlfs hier den Aufbruch zu einer neuen und lichten Malerei definiert, wie sie sich in seinem Werk in der Folgezeit weiter entwickelt.

Sabine Fehlemann

Abbildung:

Christian Rohlfs (1849-1938), Kiefernstämme im Sonnenlicht, Weimar, um 1903
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