Charles François Daubigny, Landschaft bei Auvers

Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München

Das Sujet der bis zum Erwerb für die Neue Pinakothek unbekannten Ansicht einer weiten Hügellandschaft bei Auvers findet im gestreckten Breitformat des Gemäldes von Daubigny seine Entsprechung. Das atmosphärische Wechselspiel von Licht und Schatten erscheint malerisch so umgesetzt, daß der Betrachter glaubt, Jahres- und Tageszeit sowie sogar die Lufttemperatur bestimmen zu können. In der Natur vorgefundene, momentane atmosphärische Bedingtheiten werden als Gesamteindruck nachvollziehbar. Als charakteristisch für diese Naturauffassung erweist sich der Aufbau der gewachsenen Land-schaftsformation in fest gefügten Strukturen, wie wir es vor allem von Courbet her kennen. Zugleich wird der Farbe als Lichtträger eine Dominanz zuerkannt, deren naturnahe Wirkung vor den Impressionisten nur bei den römischen Landschaften Camille Corots (1796-1875) annähernd vorgebildet ist. Die Stimmigkeit in den Wechselwirkungen des Lichts von Wolkenhimmel und Landschaft war hingegen seit John Constable (1776-1837) für das Naturstudium der Maler der Schule von Barbizon maßgeblich.

Das Gemälde vermittelt die intime Vertrautheit des Malers mit dieser bäuerlichen, fruchtbaren Gegend. Spätestens seit seiner Übersiedlung nach Auvers im Jahr 1860 inspirierte jener Landschaftsabschnitt des Flusses Oise und Umgebung Daubigny immer wieder neu und bot bald danach auch den Malern der jungen Generation wie Camille Pissaro (1830-1903) Anregung.

Daubigny führte nicht nur wegen seiner eigenen, damals noch weitgehend neuen Auffassung von Landschaftsmalerei die Vor-Impressionisten an, sondern auch wegen seines persönlichen Einsatzes für eine öffentliche Anerkennung dieser jungen Maler. Dank Daubignys Kampfgeist konnten nach Pissaro zum Beispiel ebenso Claude Monet, Jean-Frédéric Bazille oder Edgar Degas in den jährlichen Kunstausstellungen der Salons ihre Werke zeigen. Eine kontrovers geführte Auseinandersetzung über die Zuschreibung des Gemäldes an C.-F. Daubigny wird in einem Fach-Symposium erörtert werden.

Christoph Heilmann

Abbildung: Charles François Daubigny [?] (1817-1878), Landschaft bei Auvers, um 1860/70, Öl auf Leinwand; 120 x 226 cm Bezeichnet unten links: Daubigny, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München