Caspar David Friedrich, Meeresufer im Mondschein

Hamburger Kunsthalle

Vor allem in vier Museen von Weltrang läßt sich die Kunst des großen Malers der deutschen Romantik, Caspar David Friedrich, an den Werken selbst studieren: in der Nationalgalerie Berlin, in der Gemäldegalerie Dresden, in der Eremitage St. Petersburg und in der Hamburger Kunsthalle.
Im Vergleich mit den etwa gleichzeitig, in Friedrichs letztem Lebensjahrzehnt entstandenen Nachtbildern „Mondschein über dem Meer" (St. Petersburg), „Meeres-küste bei Mondschein" (Berlin) und „Abend an der Ostsee" (Dresden) wird der einzigartige Charakter und damit auch der besondere Rang des Gemäldes „Meeresufer im Mondschein" deutlich erkennbar.
Friedrich hat nur wenige Bilder in diesem (seinem größten) Format gemalt. Trotz der Behinderung durch seinen Gesundheitszustand entschied er sich bei „Meeresufer im Mondschein" für die Monumentalität, weil sie ihm notwendig erschien, um Weite, ja Grenzenlosigkeit anschaulich zu machen.

Es ist ein Bild des Übergangs, ein Bild im Angesicht des Todes. Friedrich führt hier die Gestaltungselemente seiner Kunst an die äußerste Grenze. Er entleert den Bildraum fast völlig, er beschränkt die Gliederungsele-mente der Komposition auf die Waagrechte des Horizonts und die beiden senkrechten Zeichen der Segel-schiffe, er baut das Bild in völliger Symmetrie auf, er beschränkt die Farbskala auf Blau, Grün und Braun und reduziert die Tonwerte fast völlig auf Dunkles. Die Düsterkeit und mit ihr die Todesahnungen, die das Bild erfüllen, werden nicht vermindert, sondern eher verdeutlicht durch das Mondlicht - im Wortsinn: durch den Silberstreifen am Horizont. Friedrichs Botschaft von der Jenseits-Verheißung ist auf das Notwendige reduziert.

Helmut R. Leppien

Abbildung: Caspar David Friedrich (1774-1840), Meeresufer im Mondschein, 1835/36, Öl auf Leinwand; 134 x 169,2 cm, © Hamburger Kunsthalle