Carl Gustav Carus, Skizzenbuch mit Motiven aus der Umgebung Dresdens, 1861/1863

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett

In einem Tagebucheintrag vom 4. September 1861 schildert der 72-jährige Carl Gustav Carus die innere Bewegung, die er einen Tag zuvor während einer Wanderung empfunden hatte. Er schrieb: „Am letzten Rande des Sommers noch einmal einen herrlichen erfrischenden Natur-Eindruck! Wir waren gestern bei schönstem Himmel auf einer der Höhen der sächsischen Schweitz […]. Es war die mildeste Temperatur, das reinste Morgenlicht, die gesündeste Natur! – dabei diese Stille, diese Zurückgezogenheit von der Welt […] – Es rührte mich so, daß mir Thränen in die Augen kamen […].“

Carus bannte zwei Landschaftseindrücke dieses Ausfluges in das Elbsandsteingebirge auf die Seiten eines Skizzenbuches. Eine der Studien zeigt eine Waldpartie mit offenliegendem Wurzelwerk, die zweite gibt den Blick vom Kleinen Bärenstein über das sogenannte Schneiderloch zum Lilienstein wieder. Das kleine Buch begleitete ihn während der Jahre 1861 bis 1863 auf Spaziergängen und Streifzügen in die Umgebung seiner Heimatstadt Dresden. Auf 30 Seiten hielt er landschaftliche Beobachtungen und persönliche Natureindrücke zeichnerisch fest. Die meist flüchtig ausgeführten Studien sind das Ergebnis eines schöpferisch, sinnlichen Wahrnehmungsprozesses und nicht in erster Linie auf eine getreue Nachahmung der sichtbaren Welt angelegt. ür Carus als Naturwissenschaftler und Künstler spielte das Zeichnen zeit seines Lebens eine zentrale Rolle, insbesondere als Methode der Aneignung „der Natur in ihrem eigentümlichen, göttlichen Leben und ihren Gestaltungen“, wie er es selbst formulierte. Während die Entwürfe und Vorzeichnungen zu seinen illustrierten anatomischen und zootomischen Werken verschollen sind, lassen sich in öffentlichen und privaten Kunstsammlungen etwa 1000 Zeichnungen von ihm nachweisen, in denen – wie auch in der Malerei – die Landschaft das zentrale Thema ist.

Das Skizzenbuch ergänzt den umfangreichen Carus-Bestand dieser Sammlung in einmaliger Weise. Zum einen handelt es sich um das bis dato einzige bekannte Zeichenbuch des Künstlers, das nicht aufgelöst wurde, zum anderen stammen die Zeichnungen aus der späten Schaffensphase von Carus, die bislang kaum durch datierte Zeugnisse belegt ist.

Dirk Gedlich

Abbildung:

Carl Gustav Carus (1831-1911), Skizzenbuch mit Motiven aus der Umgebung Dresdens. 1861–1863. Bleistift, weiße und rote Kreide auf weißem, braunem und grünem Papier 30 Blatt, davon 1 Blatt vacat; 112 x 183 x 11 mm (Maße des Buches).

© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett