Bildnis eines bärtigen Mannes

Archäologische Sammlung der Albert-Ludwig-Universität Freiburg im Breisgau

Das vorzüglich erhaltene Marmorbildnis aus dem Besitz von Kurt Bauch (1897 - 1975), Professor für Kunstgeschichte an der Universität Freiburg im Breisgau, stellt einen vornehmen, für uns leider namentosen Römer dar. In Haar- und Barttracht folgt er der von Kaiser Hadrian (reg. 117-138 n. Chr.) ausgehenden Mode, setzt sich aber in manchen Einzelheiten von allen acht Bildnistypen des Kaisers ab. Eigenartig sind die Haarzange über dem rechten Auge sowie die drei langgezogenen Schneckenlocken in Form eines liegenden S, die die Stirnkontur bestimmen. Der Vollbart ist im Unterschied zu dem des Kaisers kurz gehalten, als wolle der Dargestellte die von Hadrian eingeführte Barttracht nur so weit übernehmen wie gerade nötig. Hadrian trug schon als junger Mann, vor der Thronbesteigung, seinen fülligen Bart als Jugendlichen Protest gegen die nüchternen Zeitgenossen des glattrasierten Trajan. Die Zurückhaltung unseres Porträts wirkt wie eine Distanzierung. Der sorgenvoll-entschlossene Blick stimmt mit dem feinlippigen, nervös geschlossenen Mund überein. Man glaubt, einen der 600 Senatoren vor sich zu haben, die Hadrians Politik mit Misstrauen verfolgten. Aus der nur angedeuteten Augenbohrung erschließt sich das genauere Datum des Porträts: Die Bildnisse des Antinous, des nach seinem geheimnisvollen Tode im Jahr 130 n. Chr. vergöttlichten Lieblings Kaiser Hadrians, sind teils noch ohne, teils mit Augenbohrung überkommen. Die neue Erfindung, anstelle der üblichen Bemalung den lebendigen Blick durch das Licht-Schatten-Spiel der ausgebohrten Pupille und des Irisrandes anzudeuten, dürfte daher erst im vierten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts n. Chr. aufgekommen sein. Malerische Züge zeigen sich auch in der Unterbohrung der Haare, die effektvolle Schattenfolien bewirkt, sowie in der Vernachlässigung der Rückseite und der Nebenseiten. Dies setzt voraus, dass man den Kopf nur in der optimalen Position, einer leichten Dreiviertelansicht von seiner linken Seite, sehen wollte. Am Halsansatz ist der Kopf modern abgearbeitet, denn sowohl Büsten als auch Einsatzköpfe in Gewandstatuen zeigen mehr von Schulter und Brust. Der ungewöhnliche, einem ionischen Kapitell nachempfundene Holzsockel entstand wohl um 1850.

Volker Michael Strocka

Abbildung:

Bildnis eines bärtigen Mannes, um 130 n. Chr., Marmor, Höhe 31 cm
©Archäologische Sammlung der Albert-Ludwig-Universität Freiburg im Breisgau