Außergewöhnliches Gemälde von Christian Rohlfs erworben: "(Jüngling) Am Scheideweg(e)" aus dem Jahr 1917

Museum Ostwall im Dortmunder U

Das Gemälde (Jüngling) Am Scheideweg(e) des Künstlers Christian Rohlfs (1849 – 1938) stellt den Mythos des jungen Herakles am Scheideweg dar. Eine Sage, die in der Kunstgeschichte zahlreiche Interpretationen findet.

Der griechische Mythos besagt, dass sich der junge Herakles, als er im Begriff ist zu einem jungen Mann (Jüngling) zu werden, auf die Reise begibt, um über sein weiteres Leben nachzudenken. Auf seinem Weg begegnet er zwei Frauen. Die eine Frau ist sehr schlicht gekleidet und senkt bescheiden den Blick. Die zweite Frau fällt durch ihre edle Kleidung und verführerische Erscheinung auf. Sie spricht Herakles direkt an und verspricht ihm ein angenehmes, lustvolles Leben ohne Anstrengungen, wenn er sich dafür entscheidet seinen Lebensweg mit ihr zu beschreiten. Daraufhin wendet sich die andere Frau zu Herakles und erklärt, dass man nur mit Mühe und Fleiß zu einem reifen und weisen Menschen heranwachse. Der Lohn für diesen tugendhaften und mitunter anstrengenden Weg seien wahres Glück und Ehre. Herakles, der über die Worte beider Frauen länger nachdenkt, entscheidet sich schlussendlich den tugendhaften Weg einzuschlagen. Dr. Mario-Andreas von Lüttichau deutet seinerseits die dargestellte Szene im Sinne einer alttestamentarischen Erzählung des Propheten Hesekiel (Hes 21.21): „Denn der König von Babel wird sich an die Wegscheide stellen, vorn an den zwei Wegen, dass er sich wahrsagen lasse.“

Es ist der innerliche Moment des Überlegens und Abwägens, den Rohlfs in seinem Gemälde fokussiert und nicht etwa der Moment der gefällten Entscheidung. So wird ein Raum geschaffen um selbst inne zu halten und über das eigene Leben nachzudenken. Was will ich? Was ist mir wichtig? Eine Situation also, die jeder von uns nachvollziehen kann. Unterstrichen wird die Fokussierung auf diesen innerlichen Entscheidungsprozess durch die reduzierte Darstellung des Hintergrunds, die allein aus drei Farbflächen besteht und keine konkrete Verortung zulässt.

Entstanden 1917, lässt sich diese Arbeit der reifen Phase des Künstlers zuschreiben. Auf das sinnlose Sterben im Ersten Weltkrieg reagiert Rohlfs mit religiösen und mythologischen Szenen der Entscheidung, des Vorwurfs und der Anklage und konzentriert sich dabei ganz auf seine innere Vorstellungswelt.

Natalie Çalkozan

 

 

Abbildung:

Christian Rohlfs, (Jüngling) Am Scheideweg(e), 1917, Tempera auf Leinwand, 124,5 cm x 118,2 cm x 2,8 cm (Bildmaß), 140,2 cm x 133,7 cm x 4,9 cm (Rahmenmaß). © Museum Ostwall im Dortmunder U, Dortmund; Fotograf: Hannes Woidich, Dortmund