Attische Augenschalen

Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München

Eine Gruppe attisch-schwarzfiguriger Trinkschalen, deren Vorder- und Rückseiten nicht nur mit figürlichem Dekor, sondern auch mit großen, maskenhaften Augenpaaren bemalt sind, erhielten von der Archäologie die Bezeichnung „Augenschalen“. Die Staatlichen Antikensammlungen, so stellte sich inzwischen heraus, besitzen über 100 Augenschalen: Eine unerwartet hohe Zahl. Dass dies erst jetzt feststeht, erklärt sich aus der Geschichte des Museums. Die von König Ludwig I. zwischen 1824 - 1841 erworbene Sammlung wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs teilweise in Klöster ausgelagert, andere Teile wurden in die Neue Pinakothek überführt und erlitten dort beträchtliche Schäden.

Bei der Wiedereröffnung der Sammlungen im Jahr 1967 waren nur 15 Augenschalen restauriert und ausstellbar. 1996 lief ein neues Restaurierungsprogramm an. Dafür musste eine große Menge von Scherben, Schalenfüßen und Henkeln gereinigt, sortiert und auf Anpassungsmöglichkeiten geprüft werden. Dieses große Puzzle wurde noch ergiebiger und interessanter, als in den Kellergewölben der Glyptothek Scherbenbestände ans Tageslicht kamen, die seit ihrem Ankauf vor 160 Jahren noch nie genau studiert bzw. zusammengesetzt worden waren. Es sind darunter viele Augenschalen-Scherben, die zum Teil in schon bekannte, fragmentierte Schalen eingefügt werden konnten. So erlebten griechische Augenschalen, die im 6. Jahrhundert v. Chr. nach Etrurien verkauft worden waren, jetzt nach über 2500 Jahren wieder ihre „Auferstehung“: Sie waren in Etrurien den Verstorbenen mitgegeben und in Gräbern an den Wänden aufgehängt worden und sind dort, als die Aufhängung verrottet war, von der Wand gefallen und zerbrochen.

Raimund Wünsche

Abbildung:

Attische Augenschalen, um 510 v. Chr.
©Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München