Ahavser und Haman bei Esthers Mahl
Residenz München, Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen
Johann Heiss zählt zu den führenden schwäbischen Künstlern der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, nachhaltig von dem Hauptmeister der Augsburger Schule Johann Heinrich Schönfeld beeinflusst. „Esther vor Ahavser“ ist eine besonders typisches Hauptwerk deises Vertreters des akademischen Barockklassizismus.
Das 1675 datierte Gemälde entstand während seines Aufenthaltes in Ochsenhausen. Über den Auftraggeber ist nicht bekannt. Dargestellt ist die Szene „Ahavser und Haman bei Esthers Mahl“ nach der Schilderung im Alten Testament, Buch Esther 7,1-7,7. Esther hat sich demütig niedergekniet, um sogleich ihrem Gatten, dem Perserkönig Ahavser ihre Fürbitte, die Juden zu schonen, vorzubringen und den Namen des Anstifters, nämlich Haman, preiszugeben. Esthers Fürbitte für ihr Volk bei Ahavser gilt als Präfiguration der Fürbitte Mariens für die Menschlichkeit bei Christus.
Sandrart widmetet Heiss im Entstehungsjahr des Gemäldes einen Abschnitt in seiner „Teutschen Akademie“. Es heißt darin, dass „die Liebhabere und Kunstverständige“ seine Historien „sehr wohl contentieren“. Sandrart fährt fort, „dass er sich […] eine geschwinde inventive Manier angenommen, darinnen er alles dajenige vorstellet, was eine Historie an nackenden oder gekleideten Figuren, Bildern, Thieren, Gebäuden, Landschaften nach erfordernder Noht bezieret“. Mit diesen Worten ist auch das Gemälde charakterisiert. Heiss zieht alle Register und schafft so das Musterbeispiel eines barocken Historiengemäldes. Die komplizierte, verschachtelte Architektur erlaubt keine Rekonstruktion. Dafür bringt der Künstler ihre Inszenierung, ihre malerischer Wirkung um so nachhaltiger zur Geltung. Im gleichen Sinne effektvoll ist die gegenläufige, ja widersprüchliche Lichtführung und die ausführliche Darstellung verschiedener Materialien. Auch bei den Gewändern wird der optische Effekt so sehr gesteigert, dass n schon von Kostümen sprechen sollte. Entsprechend hat Heiss bei den Körperhaltungen auf Vielfalt großen Wert gelegt. Keine Pose gleicht der anderen. Erfindungsgeist – das demonstriert Johann Heiss hier mit allen Facetten dem Betrachter. Das ist es, was Sandrart unter „inventiver Manier“ versteht, die er als besondere Eigenschaft des Künstlers herausstellt. Vermuttlich kannte Heiss das 1528 zuvor entstandene Gemälde „Esther vor Ahavser“, von Hans Burgkmair (heute: Alte Pinakothek, München).
Peter O. Krückmann
Abbildung: © Bayerische Schlösserverwaltung
Johann Heiss (1640-1740)
Ahavser und Haman bei Esthers Mahl, 1675
Öl / Leinwand, 130 x 195cm,
Residenz München, Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen