Adam und Eva (M. Beckmann)

Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

„Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?“ So sprach Gott zu Adam, nachzulesen im ersten Buch Mose des Alten Testaments. Doch der Apfel vom Baum der Erkenntnis ist schon gegessen. Max Beckmann gibt die Situation der verlorenen Unschuld nach dem Sündenfall wieder, die Vertreibung aus dem Paradies hat bereits begonnen. Eine verwirrend groteske Szene, in der Eva die Demütige und der entsetzte Adam den Unnahbaren spielt. Schamlos bietet Eva Adam ihre Brüste dar. Doch die verdrängte Begierde und Angst bei Mann und Frau schaffen Distanz. Schmerzensmann Adam trägt das Wundmal auf seiner Hand: Eros zeugt Lust, aber auch Leiden. Die gelbe Lilie, als Symbol der Keuschheit, gehört der Vergangenheit an. Am Baum windet sich die Schlange, die dämonische Kupplerin des Bösen empor, Triumph glimmt in ihrem roten Drachenauge auf.

Beckmann malte die Szene in aschfarbenem Grisaille; die Figuren sind in starker Untersicht gegeben, und die gestelzte Gebärde führt gotisch spitz und verkantet in der Kontur nach oben. Max Beckmann sah in der animalischen Liebe eine lebensnotwendige Krankheit, die es zu überwinden gilt. Für ihn wurde „die uralte mystische Verknüpfung zwischen geschlechtlicher Liebe und Verhängnis zum Symbol eines grundsätzlichen Zusammenhangs zwischen Lockung, Begierde und katastrophalem Unheil“ (Fischer, S. 23). Hiermit führt der Maler die unauflösliche Verstrickung der Geschlechter bei Edvard Munch (1863-1944) fort. Über den erotischen  Aspekt hinaus ist das Tafelbild „Adam und Eva“, wie auch die viel expressiver gefasste Kaltnadelradierung zu diesem Thema, in engem Zusammenhang mit Beckmanns Gemälden „Christus und die Sünden“ und „Kreuzabnahme“ aus dem Jahr 1917 zu sehen. Alle drei sind Sinnbilder der Passion des Menschen und bringen das Credo des Malers zum Ausdruck, dass es kein wirkliches Leben auf dem schwierigen Pfad der Selbst- und Welterkenntnis ohne Schuldgefühl und Sühnehoffnung geben kann. Damit brach Beckmann mit der traditionellen religiösen Auffassung.

Roland März

Abbildung: ©Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / André van Linn
Max Beckmann (1884-1950)
Adam und Eva, 1917
Öl / Leinwand, 79,8 x 56,7cm
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin