Abraham IV Drentwett, Lavabogarnitur des Hildesheimer Tafelservice

Bayerisches Nationalmuseum, München

Die zierliche, ausgesprochene leicht gearbeitete Lavabogarnitur besteht aus einem ovalen, fassonierten Becken mit achtfach geteilter Fahne und einer ebenfalls fassonierten schlanken Helmkanne auf hohem ovalem Glockenfuß. Der Körper der Kanne ist über dem wenig gebauchten unteren Teil eingeschnürt und wird durch wellige Züge gegliedert. Im Spiegel des Beckens und unterhalb des Kannenausgusses befindet sich das gravierte Wappen des Hildesheimer Fürstbischofs Friedrich Wilhelm von Westphalen (1727-1789).

Aufgrund des Wappens und der auf der Unterseite des Beckens sowie am Fuß der Kanne eingravierten Servicenummer „38“ lässt sich die Lavabogarnitur eindeutig als Bestandteil des berühmten Augsburger Tafelsilbers der Hildesheimer Hofhaltung identifizieren. Dieses Service hatte der 1763 gewählte Hildesheimer Fürstbischof Friedrich Wilhelm von Westphalen mit den Mitteln eines bedeutenden Kredits anlässlich seines Regierungsantritts bei den Augsburger Silberhandlungen Wilhelm Michael Rauner und Klaucke und Benz bestellt. Das über 600 Einzelteile umfassende Ensemble aus 19 verschiedenen Augsburger Goldschmiedewerkstätten wurde innerhalb weniger Monate geliefert und kam bei der Inthronisation des Fürstbischofs am 10./11. Oktober 1763 erstmals in der Hildesheimer Residenz zur Verwendung.

In einem 1763 angelegten Inventarium perpetuum wurden alle Serviceteile verzeichnet, darunter insgesamt vier Lavabogarnituren. Die 2009 erworbene Garnitur entspricht dem „Lavoir“ unter der Nummer „38“ mit einem Gewicht von „4 Mark, 3 Lot, 1 Quent“. Sie gehörte nicht zu den Lieferungen der beiden Augsburger Silberhändler, sondern wurde von dem „Juden Hertz“, bei dem es sich wohl um den zum Kreis der Finanzagenten des Fürstbischofs gehörenden Oberfaktor Wolff Hertz handelt, für 58 Reichstaler 6 Groschen erworben.

Seit 1981 befindet sich das Hildesheimer Silberservice, das nach Umfang und Vielzahl der Gerätetypen jedes andere Ensemble aus den Augsburger Goldschmiedewerkstätten übertrifft und in Entwurf und Ausführung ein einzigartiges Meisterwerk des süddeutschen Rokoko darstellt, in seinen Hauptbestandteilen im Bayerischen Nationalmuseum.

1995 konnte mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung das zuvor fehlende Originalbesteck des Jahres 1763 erworben werden. Mit der Lavabogarnitur wird das Service nun um ein weiteres, vor allem im Hinblick auf das Tafelzeremoniell zentrales Objekt ergänzt. Allein dem Potentaten und seinen höchsten Gästen vorbehalten, wurden Lavabogarnituren je nach dem Rang der bedienten Person von hohen Hofbeamten oder Lakaien gereicht und dienten vor und nach den Mahlzeit zur zeremoniellen Handwaschung mit parfümiertem Wasser. Die Garnituren standen auf dem in der Nähe der Festtafel errichteten Silberbuffet, wo sie zugleich mit weiteren kostbaren Aufwartegeräten wie Kredenzen, Weinfontänen oder Gläserkühlern wichtige Schaustücke der fürstlichen Repräsentation bildeten.

Dr. Annette Schommers