Max Pechstein - Studie zu "Grosse Mühlgrabenbrücke", 1921

Kunstsammlungen Zwickau

Im Frühjahr 1921 entdeckt Max Pechstein (1881-1955) Leba an der pommerschen Ostseeküste für sich. Weit gereist war der 1881 in Zwickau geborene Künstler zu diesem Zeitpunkt bereits, hatte in Frankreich gelebt und Italien erkundet, die Sommer wiederholt in Nidden auf der Kurischen Nehrung verbracht und schließlich 1914 sein persönliches Paradies auf den südpazifischen Palau-Inseln gefunden. Nun, in Hinterpommern, reagiert Pechstein künstlerisch auf die ersten Eindrücke von Land und Leuten, die von nun an sein Werk motivisch stark prägen sollen. Seit jeher dem Ideal eines einfachen wie erfüllten Lebens in, mit und aus der Natur folgend, widmet er sich vor allem der vorgefundenen Landschaft, den sich wandelnden Lichtstimmungen und damit Farben, denen er sich mit Genuss hingeben kann. Er selbst empfindet die Gegend mit ihrer rauen See und den ruhigen Gewässern samt wechselnder Oberfläche als „blaues Ländchen“. Entsprechend dominieren Blau- und Grüntone zusammen mit einem sonnigen Gelb die Darstellung der „Großen Mühlengrabenbrücke“, die während seines ersten Aufenthaltes in Leba entsteht. Er setzt das ortstypische Motiv eindrucksvoll von unten gesehen formatfüllend ins Bild. Bildbestimmend wird die Spannung aus horizontaler Brücke samt Geländer im oberen Bilddrittel und den sie tragenden, vertikalen Pfeilern, die aus dem wasserführenden Graben ragen. Gerade überqueren einige lediglich über ihre Schirmmützen beschriebenen Fischer die Brücke. Abstrahierte Häuser im Hintergrund, Bäume und Boote zu beiden Seiten des Ufers flankieren die Szenerie, wobei das Wasser mit seinen effektvollen Spiegelungen mehr als die Hälfte des Bildes einnimmt.

Das Aquarell, typisch für Pechsteins spätexpressionistischen Phase mit ihrer kraftvollen Farbigkeit, nutzte Pechstein in Folge als direkte Vorlage für das Ölgemälde „Brücke“ (Soika 1921/23), das die Zwickauer Kunstsammlungen u.a. mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung 2020 erwerben konnten. Gerade Ansichten des Mühlgrabens mit seinen Brücken entstehen über drei Jahrzehnte hinweg und belegen so eindrücklich die Arbeitsweise und den sich kontinuierlich verändernden Malstil Pechsteins. Annika Weise


Annika Weise

Provenienz: Fedder Galerie, Amsterdam (bis 1994, Christie’s New York, Auktion Miyoko 7904, Lot 194); Galerie Jacobs, Amsterdam, 1995 an der FIAC, Paris, angekauft von Privatsammlung Schweiz

Abbildung: Max Pechstein, Studie zu Grosse Mühlgrabenbrücke, 1921, Aquarell, 45cm x 59cm, Oben links vom Künstler in Bleistift signiert und datiert HMPechstein 1921, rückseitig bezeichnet Brücke.

© Kunstsammlungen Zwickau