Eindrucksvolles Gemälde von Paula Modersohn-Becker ergänzt den Bestand in Bremen.

Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen

Als weltweit erstes Museum für eine Malerin bietet das Paula Modersohn-Becker Museum bereits seit 1927 die Gelegenheit, sich mit dem Schaffen dieser Ausnahmekünstlerin auseinanderzusetzen. Dank der großzügigen Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und eines Bremer Mäzens ist es der Museen Böttcherstraße Stiftungs GmbH nun gelungen, den Kernbestand der Sammlung von Ludwig Roselius um ein bedeutendes Werk zu erweitern. „Da sich die meisten der Selbstbildnisse von Paula Modersohn-Becker mittlerweile im Besitz von Museumssammlungen befinden, gibt es nur noch äußerst selten die Chance, Werke der Künstlerin zu erwerben. Umso glücklicher sind wir darüber, dass uns dieses wichtige Porträt, das sich seit 1930 in Privatbesitz befindet, nun zum Kauf angeboten wurde und permanent in einer öffentlichen Institution präsentiert werden kann!“ freut sich Museumsdirektor Dr. Frank Schmidt.

Das neu erworbene Gemälde „Selbstbildnis nach halbrechts, die Hand am Kinn“ von Paula Modersohn-Becker entstand 1906 während ihres letzten längeren Paris-Aufenthaltes und damit im Jahr ihres künstlerischen Durchbruchs. Während dieser Zeit der Selbstfindung setzte Paula Modersohn-Becker sich intensiv mit der Visualisierung des eigenen „Ichs“ auseinander und schuf, neben dem berühmten „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“, rund 15 weitere Selbstbildnisse. Die Neuerwerbung nimmt unter ihnen jedoch eine herausragende Stellung ein, denn in diesem Selbstbildnis ist die Künstlerin, auf ihrer Suche nach neuen formalen Lösungen, am weitesten gegangen: Nur noch entfernt erinnert das in kontrastierende Farbflächen abstrahierte Gesicht an die Malerin selbst. Vielmehr erstarrt es durch seine Formeneinfachheit, der Abwesenheit jeglicher Details sowie dem groben, pastosen Farbauftrag zu einer Art Maske. Dieser Eindruck wird durch die Bildkomposition, mit der von unten eingeschobenen Hand am Kinn, zusätzlich noch verstärkt.
So gewinnt das relativ kleinformatige Bild, das gerade einmal 27 x 18,7 cm misst, eine ungemeine physische Präsenz, nach der Paula Modersohn-Becker in ihrem Schaffen stets strebte. Eine derartige formale Stringenz findet sich ansonsten kaum in ihrem Werk in vergleichbarer Radikalität, wohl aber in den annähernd zeitgleich entstandenen protokubistischen Arbeiten Picassos. Hierin zeigt sich einmal mehr die Sonderstellung Paula Modersohn-Beckers am Beginn der Moderne, mit Bezügen zwar zur französischen Avantgarde, jedoch ohne Vorläufer oder parallele Erscheinungen in der zeitgenössischen deutschen Kunst.

Das „Selbstbildnis nach halbrechts, die Hand am Kinn“ ist eines der prägnantesten Beispiele für die zu ihrer Zeit radikale und innovative Experimentierfreude der Künstlerin, der es in dieser Phase weniger um naturgetreue Abbildhaftigkeit als um das Ausloten malerischer Möglichkeiten ging.

 

Abbildung: Paula Modersohn-Becker: Selbstbildnis nach halbrechts, die Hand am Kinn, 1906, Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen (Öltempera auf Papier auf Pappe, 27 x 18,7 cm) Foto: © Museen Böttcherstraße